Der schiefste Turm der Welt steht in Suurhusen nahe Hinte / Emden in Ostfriesland. Das kleine Dorf ist schon am markanten schiefen Turm von Weitem zu erkennen. Der Abzweig von der Bundesstraße 210 heißt denn auch Am Schiefen Turm. Besucher gelangen zur Kirche und finden dort einige Parkplätze.
Das Dorf ist am Feiertagsmorgen noch verschlafen und kaum Menschen zu sehen. Das Café ist im Oktober schon geschlossen. Ein Besucher geht in die Kirche und ich folge ihm. Drinnen findet sich eine Gruppe, die dem Führer gespannt zuhört. Doch bevor er zum schiefen Turm und dessen Geschichte kommt, geht es in den Kirchenraum.
Der schiefste Turm der Welt im Guiness World Records
Unterhaltsam präsentiert er Sehenswertes in der alten, schlichten Kirche. Er weist auf das schmucklose Gestühl hin. Nur eines zeigt am Türchen in der Innenseite eine hölzerne Verzierung.
Sehr interessant ist auch das Taufbecken in der Mitte des Ganges. Es stammt aus dem 13. Jahrhundert. Das Dekor zeigt keltische Motive. Der tiefe Bottich steht auf Löwenköpfen. Der Trog ist so tief, weil Babys darin früher ganz eingetaucht wurden. Das Taufbecken stand wohl schon in der vorherigen Kirche.
Wieder draußen erklärt der Führer die Schiefe des Turmes. Die Kirche war schon wegen Einsturzgefahr zehn Jahre geschlossen. Ein Architekt aus Aachen, der auch in Pisa die Sanierung unterstützte, bot seine Hilfe an. 1982, Beginn der Sanierung der Fundamente, zeigte der Turm einen Überhang von 2,34 Metern. Nach der Stabilisierung bestätigten Messungen, dass das weitere rasante Absacken des Turmes gestoppt war. Die Dorfbewohner durften wieder in ihre Kirche.
Seit dem 8.11.2007, 11.00 Uhr, ist der Suurhuser Kirchturm im Guiness Buch der Weltrekorde. Stabil schief ist er damit schiefer als der berühmte Turm von Pisa in Italien. Die Suurhuser haben dies nun auf einer Urkunde schriftlich.
Hochwasser in Suurhusen
An einer Ecke des Turmes ist ein grauer Stein im roten Backstein. Das ist die Flutmarke der Allerheiligen-Flut im Jahre 1570 mit + 4,40 über NN.
In der Weihnachtsflut desselben Jahres stand das Wasser noch knapp 60 Zentimeter höher. Ein großes Schiff blieb auf dem Kirchengelände liegen.
Zwei Wochen später mit einer erneuten Flut schleppten Dorfbewohner das Schiff ins Fahrwasser der Ems. Und das alles spielte sich an der Suurhuser Kirche ab, die erhöht lag. Unvorstellbar. Dort, wo heute Wiesen sind und auf dem Fußballplatz Männer bolzen, stand meterhoch Wasser.
Hagioskope oder Lepraspalten
Bei der Sanierung entdeckten Maurer ein zugemauertes Hagioskop. Das sind Lepraspalten aus dem Mittelalter. Leprakranke durften nicht in die Kirche. Dass sie trotzdem an der Messe teilnehmen konnten, ließ man Spalten mit Blick auf den Altar im Mauerwerk frei.
Nach dem Verschwinden der Lepra in Mitteleuropa geriet die Funktion der Spalten in Vergessenheit und wurden vielerorts einfach zugemauert.
Weitere Informationen:
Kirchengemeinde Suurhusen-Marienwehr, Am Schiefen Turm 35, 26759 Hinte
Führungen: April – Oktober, Mo + Do nach Vereinbarung, Di, Mi, Fr, Sa von 10 – 12 Uhr, 15.30 – 18 Uhr,
November – März: nach Vereinbarung
Die Führungen sind kostenlos, um eine Spende wird gebeten.