Das Textilwerk Bocholt gehört zu den LWL Museen. LWL ist die Abkürzung für Landschaftsverband Westfalen-Lippe und dazu zählen einige sehr interessante Museen.
Das historische Textilwerk und die Spinnerei besuchten wir und erfuhren viel über die Herstellung von Stoffen und das Leben der Arbeiter in einem volleingerichteten Wohnhaus. Bei den Vorführungen klappern die Webstühle wie damals. Besucher sind von der Lautstärke und den entstehenden Tüchern überrascht.
Inhaltsverzeichnis
- Das Textilwerk Bocholt und die Baumwolle
- Grubentücher
- Spinnerei im Backsteinbau
- Das Arbeiterhaus im Textilwerk Bocholt
- Mittagessen im Restaurant «Schiffchen»
- Weitere Informationen:
Das Textilwerk Bocholt und die Baumwolle
Spinnen und Weben von Baumwolle hat in Bocholt eine 450jährige Tradition. Die importierte Faser wurde in etwa 80 Textilwerken in Bocholt verarbeitet und gab 10.000 Menschen bis 1960 Arbeit. Dann wanderte die Stoff- und Bekleidungsproduktion und damit die Arbeitsplätze nach Asien ab und führte zu tiefgreifenden Umstrukturierungen.
Das nach der Brücke stehende Arbeitshaus sparen wir uns für später auf. Wir sind neugierig auf die Maschinen. Mit dem Ticket gelangen wir in den Maschinenraum und sehen ähnliche Geräte wie im Bramscher Tuchmacher-Museum. Doch hier wird nicht Wolle, sondern Baumwolle verarbeitet.
Eine Führung ist im Gange und wir schließen uns an. Als der Führer einen Webstuhl einschaltet, erzeugt die Maschine Lärm. Als hier noch Betriebsamkeit herrschte, stand der ganze Raum eng voll mit Webstühlen und man kann sich den Geräuschpegel vorstellen. Sehr laut und man möchte flüchten. Die Arbeiter arbeiteten hier ohne Kopfhörer und Arbeitsschutz war ein Fremdwort. Nach ein paar Jahren waren viele schwerhörig.
Dennoch ist es sehr spannend, die großen Maschinen arbeiten zu sehen, die Tuche für unterschiedliche Verwendungen herstellten.
Grubentücher
Was ist ein Grubentuch? Früher lieferten münsterländische Webereien das Ruhrgebiet die typischen Grubentüchern, immer mit Karo und in unterschiedlichen Größen und Farben. Heute stellen die Webstühle im Textilwerk für den Shop außer traditionelles blau-weiß auch andere Farb-Kombinationen her. Großer Vorteil bestand darin, dass der Kohlenstaub beim Abtrocknen darin fast unsichtbar blieb.
Grubentücher benutzten die Familien der Bergleute gerne. Sie bestehen aus Baumwolle oder gemischt mit Leinen. Sie sind sehr saugfähig, haltbar und strapazierfähig. Genau das, was Bergleute im Ruhrgebiet brauchten.
Meist sind sie 50 x 100 Zentimeter und weisen das charakteristische Karo-Muster auf. Bei dem Muster sieht man Verschmutzungen weniger schnell und das ist bei viel Schmutz von unschätzbarem Vorteil.
Die Grubentücher waren für die Bergleute vielfältig nutzbar. Die Mahlzeiten wurden darin eingewickelt, denn die dichte Struktur verhinderte das Eindringen von Kohlenstaub. Als Schweiß- oder als Handtuch nach dem Duschen bei Schichtende war es von Nutzen.
Heute schätzen Betriebe in der Gastronomie die Eigenschaften des Grubentuchs und gebrauchen es. Grubentücher gibt es auch mit Frottee und Zwirn gewebt, die in bunten Farben im Karomuster vielerlei Verwendung finden.
Spinnerei im Backsteinbau
Über einen kurzen Fußweg über das ehemalige Firmengelände geht es zur Spinnerei. Unterwegs ist zu erahnen, welche Ausmaße das Werk in glanzvolleren Zeiten einnahm. Heute sind Wildwiesen und verfallene Reste von Bebauung zu entdecken.
In der Spinnerei im viergeschossigen Industriebau waren 600 Webstühle und 23000 Spindeln untergebracht. Auf jeder Etage lärmten die Maschinen.
Heute ist es ruhig, geradezu beschaulich. Der Bau ist zu einem Museum umgebaut und zeigt die Maschinen und die hergestellten Produkte. Hier ging es um die Produktion von hochwertiger Tisch- und Bettwäsche, Handtücher, Gardinen, Socken, Strickwaren, Bänder und Bordüren.
Die Räume wirkten wie gerade verlassen und als wären die Arbeiter und Arbeiterinnen nur kurz zur Pause gegangen. Aber sehr interessant ist es, noch die Produkte zu sehen, die auf Werktischen liegen. Manches erkennt man aus seinem Elternhaus oder von Oma wieder.
Abblätternde Farben von den Wänden und Geräten, Löcher in den Betonböden und kaum zu erkennender Staubschicht faszinieren bei dem Fabrikgebäude.
Im Obergeschoss im Bistro angekommen, geht der Blick sofort durch die großen Glasfenster über das Werksgelände und die Stadt Bocholt. Gemütlich auf Stühlen am Fenster mit einem Kaffee und ein Stück Kuchen platzgenommen, bieten einen fast perfekten Abschluss der Besichtigung des Textilwerks Bocholt.
Doch ein Punkt fehlt noch, das Arbeiterhaus am Eingang.
Das Arbeiterhaus im Textilwerk Bocholt
Das Arbeiterhaus am Eingang wirkt eher wie ein Vorabeiterhaus. Es gibt ein gutes Wohnzimmer, dass bei bescheidenen Arbeiterhäuschen wohl nicht die Regel war, vermute ich. Aber die Küche mit Herd, der mit Kohle oder Holzscheiten befeuert wurde, entspricht da eher der Norm. In der Küche spielte sich das Leben der Familie ab, relativ klein, aber gemütlich und durch den Herd immer warm.
Die Waschküche mit Pumpe schloss sich an und Bergarbeiterfrauen hatten viel zu waschen bei dem ständigen schwarzen Kohlenstaub. Am Gang nach draußen liegt das Plumpsklo und ein Pferch für das Hausschwein.
Das Elternschlafzimmer verfügt über ein verhältnismäßig enges Bett, ein Schrank, eine Waschschüssel und ein Kinderbett. Das Haus hat einen Keller zu den Vorratsräumen, in denen Weckgläser aufgereiht stehen.
In der oberen Etage sind die Zimmer für die Kinder. Meist gibt es noch einen Raum für «Schläfer», alleinstehende Arbeiter. Die Hausfrau übernahm deren Wäsche und die Mahlzeiten gegen Entgelt. Dadurch hatte die Familie zusätzliche Einnahmen, die sie gut gebrauchen konnten.
Mittagessen im Restaurant «Schiffchen»
Zur Erholung gingen wir ins Museums-Restaurant auf dem Gelände und aßen eine leckere Kleinigkeit. Eine Glasscheibe eröffnet den Blick direkt in die Weberei und wir beobachteten, wie die Schiffchen durch gespannte Fäden sausten.
Weitere Informationen:
LWL Textilwerk, Weberei mit Parkplatz, Uhlandstr. 50, 46397 Bocholt,
Spinnerei, Industriestr. 5, 46395 Bocholt,
Öffnungszeiten: Di – So 10 bis 18 Uhr
LWL- Museumstour
Ankerpunkt der «European Route of Industrial Heritage» ERIH