Das Kaisen-Haus ist für heutige Verhältnisse ein recht kleines Haus, aber mit großer Bedeutung. Darin lebte die Familie Kaisen mit ihren vier Kindern von 1933 bis 1979. Sparsam und bescheiden blieb der sozialdemokratische Bürgermeister von Bremen immer. Von 1945 bis 1965 Bürgermeister und Präsident des Senats gestaltete er die Entwicklung der Stadt. Er ist für Bremen die Symbolfigur für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.
Das Siedlungshaus am Rande von Borgfeld mit Blick über die Wiesen ist noch original erhalten. Im ehemaligen Stallgebäude ist heute die Dokumentationsstätte, die von der Wilhelm & Helene Kaisen Stiftung ehrenamtlich betreut wird. Im Gewächshaus reift wieder Wein. Besucher können den Menschen und das Wirken von Wilhelm Kaisen hier entdecken.
Das Kaisen-Haus – ehemaliges Wohnhaus des Bremer Bürgermeisters
Wilhelm Kaisen (1887-1979) wurde als Arbeiterkind in Hamburg geboren. Nach seiner Ausbildung und Kursen beim Arbeiterbildungsverein lernte er seine spätere Frau Helene aus Bremen kennen. 1916 heirateten sie und siedelten nach Bremen um. Kaisen arbeitete als Redakteur beim Bremer Volksblatt. Inzwischen Mitglied der SPD wurde er 1920 in die Bürgerschaft gewählt. 1933 trat er notgedrungen aus dem Senat. Er wurde von den Nationalsozialisten in Untersuchungshaft gesteckt und anschließend der Stadt verwiesen. Danach kaufte er die Siedlerstelle in Borgfeld. Borgfeld gehörte damals noch nicht zu Bremen. Auf dem Grundstück konnte die gewachsene Familie den Krieg als Selbstversorger überstehen.
Nach dem Weltkrieg wurde er von der US-Militärregierung zum Bürgermeister berufen. Immer wieder gewählt blieb er bis 1965 in diesem Amt und förderte die Entwicklung Bremens maßgeblich. 1965 trat er von allen Ämtern zurück und verbrachte seinen Ruhestand mit Schreiben, Lesen und Arbeiten im Garten. Er starb 1979 mit 92 Jahren.
Seine Frau Helene (1889-1973) hatte eine Lehre als Buchhalterin absolviert und engagierte sich in der Arbeiterjugend der SPD. Sie hätte auch eine Karriere in der Politik machen können, doch sie arbeitete als Hausfrau unterstützte stets ihren Mann. Nebenbei engagierte sie sich aktiv in der Frauen- und Antikriegsbewegung und widmete sich sozialen Aufgaben.
Das Kaisen-Haus in Bremen Borgfeld
Beim Durchstreifen der Zimmer fallen die vielen Regale prall gefüllt mit Büchern auf, auch in den Kinderzimmern. Das Haus entspricht dem Standard der Nachkriegszeit. Es hat sich im Laufe der Jahre nicht viel daran geändert. Es gibt nur einen Herd in der Küche und eine Feuerstelle im Flur, von der das ganze Haus mit Kohle oder Holz beheizt wurde. Der Kohleschütter steht noch griffbereit in der Ecke gleich neben dem Herd. Die Dinge wurden wertgeschätzt und nichts einfach so in den Müll geworden.
Im Garten steht ein Gewächshaus, indem Kaisens ihre eigenen Weinstöcke zogen und die Trauben zu Wein verarbeiteten. Später kümmerten sich zwei Önologen und zeigen Erfolge, denn Trauben hängen nun herab. Vielleicht wandelten hier der erste Bundespräsident Theodor Heuss und Kanzler Helmut Schmidt vertieft im Gespräch mit dem Bürgermeister. Sie besuchten nämlich den geschätzten Wilhelm Kaisen in seinem Haus.
Mein Besuch war sehr aufschlussreich. Vieles von der Inneneinrichtung kenne ich noch von meinen Großeltern. Die Damen und Herren der Stiftung geben bereitwillig Auskunft und können Geschichten zur Familie erzählen. Wer politisch interessiert ist, der ist in der Dokumentationsstätte genau richtig.
Weitere Informationen: Kaisen-Dokumentationsstätte, Rethfeldsfleet 9, 28357 Bremen-Borgfeld, www.kaisen-stiftung.de, Öffnungszeiten: ganzjährig, jeweils am zweiten Sonntag im Monat (außer Feiertage) 11.00 – 16.00 Uhr, Eintritt frei, ein Sparschwein für Spenden steht im Stall. Für Gruppen wird um Anmeldung gebeten.