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Hinter der Mauer faszinierte die Welt

DDR-Bürger konnten nur eingeschränkt verreisen. Und doch fanden die Bücher über fremde Länder reißenden Absatz. Die Verlage druckten Reiseliteratur in hohen, mehrmaligen Auflagen. Wie passt das zusammen?

Am Institut für kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien (ikud) der Universität Bremen läuft ein Projekt, das mehr über dieses Phänomen herausfinden will. Bei einem Vortrag des Leiters Prof. Dr. Axel Dunker war mehr darüber zu erfahren. Er wunderte sich, dass es darüber bisher kaum Untersuchungen gibt. Dabei lasen die eingeschlossene DDR-Bürger Bücher über Reisen ins Ausland. Manche konnten heraus und sich in der Welt umsehen. Das waren meist Delegationen, die die Bruderstaaten bereisten oder kommunistische Parteien im kapitalistischen Ausland. Solche Autoren galten als privilegiert.

Gerade wegen der Hindernisse beim Verreisen waren die Bücher so begehrt und weiter gereicht. Die Menschen versuchten, die Welt über Bücher zu erleben. Doch die Autoren mussten sich mit ihren Texten anpassen, sonst wären ihre Bücher gar nicht in Druck gegangen. Kritik oder Mängel an der DDR waren nicht erwünscht. Doch die Leser konnten „zwischen den Zeilen lesen“ und fällten ihre Urteile. Doch die Autoren waren in ihrem Reiseprogramm sehr eingeschränkt und durften nicht alles besuchen.

So zum Beispiel bei der Autorin Inge von Wangenheim, die das Buch „Der goldene Turm“ über einen Reise nach Paris veröffentlichte. Ihr war es verboten, mit der Pariser Metro zu fahren. Die Begründungen Gefahr von Belästigungen, Diebstahl und Drogen waren von den sozialistischen Veranstaltern erfunden. Dennoch schrieb die Autorin genau das in ihrem Buch, obwohl sie gar nicht mit der Metro gefahren war. Auch bemängelte sie die Pariser Gesellschaft als Konglomerat vieler Religionen und Völker. Hautfarben und Rassen spielten immer eine große Rolle in ihren Beschreibungen. Ein Schmelztiegel der ehemaligen Kolonien. Die vielen Fremden waren ihr nicht geheuer und lehnte sie ab. Manche kommunistische Autoren waren in den 30er Jahren in Frankreich im Exil gewesen und nach der Gründung der DDR zurückgekehrt. Sie verglichen das „alte“ Frankreich mit dem Frankreich der 70 er Jahre. Es wurden haarsträubende Urteile gefällt und auch niedergeschrieben. So waren Afrikaner gleich abergläubisch, weil sie sich nicht fotografieren lassen wollten. So geschrieben von Fred und Maxie Wander in der „Provenzalischen Reise“. Auch noch 1988 also kurz vor der Wende erzeugten fremde Kulturen immer eine gewisse Faszination. Aber Toleranz und Kennenlernen waren nicht gewollt, sondern eher Schrecken und Abschottung.

Die DDR-Bürger gewannen ihre Einstellungen gegenüber Fremden aus solchen Büchern. Das hat sich auch 25 Jahre später scheinbar noch nicht geändert, denn die Pegida-Demonstranten äußern genau solche Argumente wie in der alten Reiseliteratur. Die Attacken auf Flüchtlinge und Wohnheime entsprechen den alten Einstellungen. Obwohl inzwischen genug Zeit vergangen ist und die ehemals Eingeschlossenen sich die Welt ansehen konnten. Um so erstaunlicher ist es, dass es die Bücher immer noch zu kaufen gibt.

Quellen:
http://www.deutschlandfunk.de/wo-einfache-staatsbuerger-niemals-hinkamen.1148.de.html?dram:article_id=240519
Vortrag 11.7.2015 von Prof. Dr. Axel Dunker, Uni Bremen

2 Gedanken zu „Hinter der Mauer faszinierte die Welt

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