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Heilige Kühe

Heilige Kühe sind durch Glaubens-Regeln des Hinduismus geschützt. Hindus verehren ihre Kühe und Bullen als göttliche Wesen. Sie leben mit ihnen oft in einem Haus, geben ihnen Namen und schmücken sie. Heilige Kühe haben auf Straßen den Vorfahrt. Autofahrer, die ein Buckelrind anfahren, müssen um ihr Leben fürchten. Früher gab es auf dieses Vergehen Gefängnisstrafen.

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Heilige Kuh bei Agra, rund und gesund!

Die Verehrung des Rindes ist zum Teil begründet durch Shiva, dem Hauptgott. Shiwa, der Zerstörer, reitet über das Firmament auf dem Bullen Nandi. Nandi steht als Skulptur, manchmal bekleidet, vor jedem Shiwa-geweihten Tempel. Heilig sind auch alle Ausscheidungen der Heiligen Kühe. Priester bereiten einen „heiligen Nektar“ aus Milch, Quark, Butter, Urin und Dung zu. Damit beschmieren sie die Götter-Figuren. In den Tempeln leuchten Lampen mit „ghee“. Ghee ist reines Butterfett ohne Eiweiß und Wasser ähnlich unserem Butterschmalz. Besonders verehrte Steinfiguren in Tempeln sehen schwarz und verschmiert aus.

Rinder mit Anomalitäten erfahren besondere Wertschätzung. Bauern schmücken sie und wandern von Tempel zu Tempel und sammeln Spenden ein. Die Spender glauben, Shiva hätte darauf Einfluss gehabt.

Aus Fleischessern werden Vegetarier – Heilige Kühe

Der Rinder-Schutz stand nicht immer im Zentrum des Hinduismus. In der Frühzeit aßen und opferten sie Tiere. Doch der aufkommende Buddhismus und das Bevölkerungswachstum machte Fleischgenuss unattraktiv. Notgedrungen passten sich Brahmanen und Politiker an und verboten das Schlachten von Buckelrindern. Wohlgemerkt nur Buckelrinder gelten als Heilige Kühe, alle anderen Haustier-Rassen dürfen geschlachtet und gegessen werden. Fleisch ist aber zu aufwendig in der Produktion und damit zu teuer, als das Fleischessen eine große Bedeutung in Indien hätte.

Warum gerade Rinder?

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Rindermarkt

Buckelrinder halten größte Hitze und Dürren aus. Sie leisten unter schweren Bedingungen harte Feldarbeit. Sie kommen mit kleinen Mengen Grün- und Trockenfutter aus. Deshalb stellen sie keine Nahrungskonkurrenten, wie das Schwein, für Menschen dar. Sie fressen Abfälle aus der Küche und Essbares von Straßen und Wegen – Müllabfuhr und Recycling-Station.

Halbverhungert, aber widerstandsfähig gegen Krankheiten, bekommen sie in Zeiten der Feldarbeit Sonderrationen. Bauern dürfen alles mit ihren Rindern anstellen – schlagen, hungern lassen, aber nicht töten. Bauern schätzen ihre Rinder-Bullen als Zugtiere und als Lieferanten für Dünger und Heizmaterial.

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Wertvolles Brennmaterial

Mit getrockneten Kuhfladen kochen indische Frauen die Mahlzeiten. Der getrocknete Dung erzeugt eine saubere, stetige und geruchlose Flamme. Sie benötigt wenig Aufsicht und ist für das Kochen von vegetarischen Gerichten auf kleiner Flamme bestens geeignet. Kühe sollen billige Ochsen in die Welt setzen und Milch geben. Sind Buckelrinder zu alt, gehen sie zum muslimischen Schlachter. Wandernde Rinder sehen im Straßenbild herrenlos aus, sind sie aber nicht. Jede Heilige Kuh hat einen Besitzer, aber Ställe sind unüblich. Deshalb suchen in indischen Städtchen und Dörfern Buckelrinder Essbares am Straßenrand.

Muss ein Bauer wegen Hunger seine Rinder verkaufen, hat er nichts zu essen und kann nichts mehr anbauen auf seinen Feldern. Es gibt immer wieder Selbstmorde ganzer indischer Bauernfamilien, deren Existenzgrundlage weggefallen ist.

Wasserbüffel sind heute die Hauptmilchlieferanten. Im tiefen Schlamm ziehen sie Flüge besser als Ochsen. Aber Wasserbüffeln fehlt die Widerstandskraft und Unverwüstlichkeit der Buckelrinder. Trockenheit vertragen Wasserbüffel wesentlich schlechter als Buckelrinder. Selbst das Besprenkeln ihrer empfindlichen Haut wäre in Indien eine Verschwendung von Wasser.

Zusammengestellt aus  meinen Reise-Notizen und aus dem Buch von Marvin Harris, Wohlgeschmack und Widerwillen – Die Rätsel der Nahrungstabus, Klett-Cotta 1991

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